Mittwoch, 20. Juni 2012

Der zweite Teil

Die Tür blieb verschlossen, die Zeit verstrich, wenn Herr Ludwig zugreifen wollte musste es  jetzt sein, er streckte seine Hand aus und prüfte erst einmal langsam ob sie auch zuverlässig zu packen konnte, er schloss und öffnete die Hand ein paar mal und dann fühlte er sich bereit.
Er öffnete bereits seine Jackentasche, da sollte sie ohne Probleme hineinpassen ohne dass er hängen blieb oder all zu lange daran rumfummeln  musste. Er holte einmal tief Luft, atmete ein und aus als wollte er gleich ganz ganz tief tauchen. Er schaute einmal links und rechts, jetzt war es soweit niemand war da und er ... RATSCH!!!
Da war die Chance vorbei!
Noch bevor Herr Ludwig zugreifen konnte öffnete sich die Toilettentür und die Dame quetschte sich wieder an ihm vorbei. Allerdings, bemerkte sie gar nicht ihre Geldbörse auf dem Boden, sondern war vielmehr damit beschäftigt sich über Herrn Ludwig aufzuregen:
"Wissen Sie," begann sie, " ein Mann ihrer Statur hätte sicher mehr Bewegungsfreiheit im Fahrradabteil am Ende des Zuges, hier vor den Toiletten, finde ich, sitzen Sie doch sehr beengt und ich bin ja sicher nicht die einzige die hier mal muss!" ihr Ton war dabei alles andere als freundlich.
Herr Ludwig betrachtete die Frau genauer, sie muss ungefähr in seinem alter gewesen sein, schulterlange braune Haare, sie trug ein beige, leicht zum grau hin gehendes "Kostüm" wie man so schön sagt und Herr Ludwig empfand die Frau auch in ihrer Art als kostümiert, soll heißen, sie wirkte recht aufgesetzt und künstlich. Was auch ihr, nicht zu knapp aufgetragenes, Make Up zu verraten schien. Alles in allem, war sie zwar attraktiv aber auf eine sehr nervige Weise. Herr Ludwig war genervt. Er fühlte sich gestört von der Aussage der Frau. Er schaute sie wie ein Schuljunge an, der der Lehrerin beichten muss, er habe die Hausaufgaben vergessen und sagte: "Vielleicht haben sie recht ich werde versuchen mich woanders unterzubringen, aber eins muss ich Ihnen noch sagen...".
"Aber was ist denn noch?", zischte die Dame in einem derart genervten Ton, dass es Herrn Ludwig langsam egal wurde: "Ach nichts, ist schon alles gut, entschuldigen Sie noch einmal, dass ich es Ihnen so schwer gemacht habe zur Toilette zu kommen." sagte er und das diesmal mit einem Hauch von Ironie, der auch der Dame nicht entging. "Guten Tag." sagte sie und verschwand um die Ecke.
Herr Ludwig schmunzelte, schaute auf den Boden und sah den Geldbeutel an, er hob ihn auf und sagte halblaut: "Dann geh ich mal ins Fahrradabteil."
Er nahm seine Sporttasche und RATSCH, öffnete die Tür zum nächsten Abteil er bahnte sich seinen Weg zur Spitze des Zuges, er setzte sich hin und genoss es dieses spitzbübische Scharmützel durchgezogen zu haben, er beschloss den Geldbeutel erst zu prüfen, wenn er auf dem Weingut angekommen und alleine in seinem Zimmer war.

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