Mittwoch, 27. Juni 2012

Der fünfte Teil

Das Weingut war durchaus herrschaftlich.
Fuhr man die Hofeinfahrt hinein, sah man einen symmetrisch angelegten Gebäudekomplex, in der Mitte das Haupthaus, links und rechts jeweils ein Flügel die nach vorne ragten. Man kam sich vor wie in einem kleinen Runddorf. Vor dem Haupthaus und in der Mitte des Hofes, lag ein kleiner Brunnen, der über 3 Etagen ragte, allerdings wurde er so gut wie nie in Betrieb genommen, sodass das Wasser darin einen unangenehmen Geruch von sich gab und in einem trüben Grün strahlte.
Betrachtete man sich das Haus genauer so war es auf den ersten Blick schon fast zu idyllisch, es war an den Ecken, von Haupthaus zu den Flügeln, mit Wein bewachsen, der wild um sich rankte. Auf den zweiten Blick war es dann doch einfach ein braugraunes  Moselschieferhaus, dass zwar recht groß und imposant erschien, aber auch einfach schlecht bewirtschaftet wurde.
Dieser zweite Blick bekräftigte sich wenn man in den Innenbereich wechselte. Durch die große morsch erscheinende Tür in den Eingangsbereich. Ein Orange bis Terracottafarbener Fliesenboden ließ auf eine Fliesung in den 70er Jahren schließen, die Holztreppe, in die oberen Geschosse des Haupthauses blätterten bereits ab, das Treppengeländer war zum anfassen weniger geeignet, da man sich leicht einen Splitter einfangen konnte.
Wandte man sich nun im Eingangsbereich nach rechts, konnte man durch eine Tür mit Butzenscheiben in den Westflügel (wenn man so will) gelangen, dort lagen auf einer Etage weitere 3 Zimmer, zusätzlich zu den beiden großen Zimmern im Haupthaus. Der Westflügel war mit einem Badezimmer und 2 Toiletten ausgestattet, das Haupthaus hatte 2 Badezimmer auf jeder Etage eines. Im Flügel ging man einen langen Gang hinunter, der ebenfalls gefliest wurde allerdings hatte man in einem klugen Schachzug und zu gemütlichkeits Zwecken einen langen Teppich darüber ausgelegt. Die Türen zu den Zimmern befanden sich alle linker Hand, jede Tür sah gleich aus, eine solide Holztür ohne Schnickschnak und einem Eisenbeschlag für Schloss und Henkel.
Wollte man durch die Eingangshalle zurück in den Ostflügel gehen wurde man enttäuscht. Die Räume auf dieser Seite wurden nicht mehr genutzt, dort waren alle Wirtschaftsräume des Weingutes gelegen, wenn man sich doch traute die Tür zu öffnen und sich weiter noch traute ein bis zwei Schritte in den Ostflügel zu gehen machte man spätestens zu diesem Zeitpunkt wieder kehrt, denn das knarren der Dielen verbreitete solch ein ungutes Gefühl, dass man sich wirklich nicht traute weiter zu gehen.
Herr Ludwig betrat also mit seinem Bruder und dessen Familie das Haus, es war still.
"Wir sind die Ersten und dass obwohl wir so spät sind." sagte Alex und grinste wie als hätte er gerade die Glühbirne erfunden, er freute sich immer wenn er bei irgendetwas Erster war. Herr Ludwig entgegnete dem ganzen nur mit einem stillen "Hm".
"Weisst du wie die Zimmeraufteilung ist?" fragte er seinen Bruder, "Nein, aber ich würde sagen, wir setzen uns erstmal alle ins Wohnzimmer, wenn dann alle da sind kriegen wir das schon hin, lasst das Gepäck einfach hier vorne stehen."
Und so gingen sie durch eine doppelflügelige Tür im Erdgeschoss hinein in das "Wohnzimmer" was wohl mal so etwas wie ein Salon gewesen sein dürfte. Dort stand eine alte mit grünem kratzigen Stoff bezogene Couch in der einen Ecke und in der anderen eine lange schöne Holztafel in dunkel verarbeitet, als Kontrast mit hellen Intarsien. Der Raum war irgendwie zwischen hell und dunkel, die Fenster waren für die Größe des Raums einfach zu klein, saß man in der nähe der Fenster erhellte die Sonne die weißen Steinwände sehr schnell und grell, saß man aber nur 2-3 Meter weiter so kam man sich vor wie in einer Dunkelkammer.
Herr Ludwig setzte sich hin und wartete, er saß in der hintersten Ecke der Couch befühlte den kratzigen Stoff und erinnerte sich, Weihnachten als Kind, Spießbraten im Garten von seinem Großvater zubereitet, er schmeckte den geräucherten Aal, den er früher immer mit ihm holte, roch die Pfannkuchen, die seine Großtante gemacht hatte, er fühlte sich für den Moment wieder als Kind und er fühlte sich wohl dabei.    

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